Die Verzweiflung ist die hinterlistigste Emotion von allen. Sie mag einen nicht so heftig packen wie rasende Wut, sie schleicht sich leiser in unser Leben als Trauer. Aber die »Krankheit im Selbst«, wie Kierkegaard sie nannte, höhlt uns auf eine existenzielle Weise aus wie kein anderes menschliches Gefühl, weil sie uns unsere absolute Handlungsunfähigkeit vor Augen führt: Das, woran wir verzweifeln, ist unabänderlich.

Da ist zum Beispiel die Menschenfeindlichkeit, die sich durch unsere Gesellschaft zieht: der Zwang zur Selbstoptimierung, die Unmöglichkeit, prekäre Lebensbedingungen und Würde zusammenzudenken, die Verrohung im politischen Diskurs und Handeln. Und dann sind da die privaten Prägungen: unsere Herkunft, unsere Handlungsmuster, unsere Traumata. Wie soll man lieben – die eigenen Kinder, den Partner, sich selbst? –, wenn man das Lieben nie gelernt hat, nicht bedingungslos, nicht ohne Gewalt?

Heike Geißlers Essay »Verzweiflungen« und Nancy Hüngers Roman »Wir drehen der Welt unsere Rücken zu« setzen das Verzweifeln an den Verhältnissen in den Mittelpunkt ihrer Texte, erzählen von Niederlagen, von Scham und vom Gefühl der Unzugehörigkeit. Und doch haben beide Autorinnen, beide Texte noch etwas anderes gemein: Wo Verzweiflung ist, da entsteht ganz unverhofft auch Widerstand. Und so wird dieser Abend kein Gang durch das Tal der Tränen, stattdessen stimmt er ein Loblied an auf Witz, Liebe und Empathie als Antidot gegen Hoffnungsverlust.

Moderation: Carolin Callies

Nancy Hünger, 1981 geboren, studierte Freie Kunst an der Bauhaus-Universität Weimar und verschrieb sich danach ganz der Literatur. Sie veröffentlichte bereits mehrere Lyrik- und Prosa-Bände und wurde 2023 mit dem Anke Bennholdt-Thomsen-Lyrikpreis ausgezeichnet. Nancy Hünger lebt in Tübingen, wo sie das Studio Literatur und Theater leitet.

Heike Geißler wurde 1977 in Riesa geboren, wuchs dort und in Chemnitz auf, studierte Amerikanistik, Politik und Geographie in Dresden, Hispanistik und Literaturwissenschaften in Halle und lebt heute in Leipzig. Sie hat neben zahlreichen Essays auch mehrere Romane veröffentlicht, »Die Woche« war 2022 für den Preis der Leipziger Messe nominiert.

Carolin Callies, geboren 1980 in Mannheim, lebt in Ladenburg bei Heidelberg. Sie ist Autorin, Lyrikerin, Literaturvermittlerin und Moderatorin.

Fotos (c) Yvonne Bernardi & Heike Steinweg

Nacheinlass nur bis 20 Uhr

Eventdaten bereitgestellt von: Reservix

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30.12.2025
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