Woyzeck ist ein guter Mensch, Woyzeck ist ein Abgrund, Woyzeck isst Erbsen, Woyzeck tötet Marie. Kennt man. So geht die Geschichte, vermeintlich zwangsläufig. Die Hauptfigur von Büchners Dramenfragment ist ein Opfer seiner Umstände: arm, anschlusslos, als Kindsvater unter finanziellem Druck, als Soldat der Autorität eines Hauptmannes und eines Doktors ausgeliefert. Er soll ein Kämpfer, ein Versorger, ein Mann sein, wird dadurch vom Opfer zum Täter, zum eifersüchtigen Mörder an seiner Geliebten Marie, die mit alledem am wenigsten zu tun hat.

Aber trägt dieses Modell? Wo findet heute Unterordnung statt, wo Radikalisierung, wo Männlichkeit? Ein moderner Woyzeck – einer, der abdriftet, der in Online-Männerforen und Pick-up-Artist-Kursen nach virtueller Autorität sucht, der sich von einem Professor mit Männlichkeitsbildern und Proteinshakes füttern lässt. Einer, der sich verzweifelt nach Nähe sehnt und sich doch aktiv von seiner Menschlichkeit abspaltet, Stück für Stück. Einer, der zum Täter wird, weil es einfacher ist, zu verletzen als verletzlich zu sein. Wo bleibt da Platz für Marie? Hat sie diese Geschichte nicht schon längst verlassen?

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