Jo im Schloss: Lametta, Gans und Siegerkranz - Grammophon-Lesung mit Jo van Nelsen
Früher war mehr Lametta – aber nicht nur am Tannenbaum, sondern auch an der deutschen Heldenbrust. Denn unsere Urgroßväter und Großväter gingen im Kugelhagel des letzten Jahrhunderts Orden sammeln und hatten daher selten eine „Stille Nacht“…
Umso mehr waren ihre Mütter und Gattinnen darauf bedacht, das bisschen Frieden noch idyllischer zu machen: Die Kitsch-Industrie blühte! Ob formschöner Rauchverzehrer oder Lore-Roman – was unsere Ahnen sich gegenseitig so unter den Weihnachtsbaum legten und am Heiligen Abend rezitierten und sangen, ist heute kaum noch vorstellbar.
Ein Grund mehr für den Musikkabarettisten und Sammler Jo van Nelsen diese Erinnerungen dem Vergessen zu entreißen und so manches Kuriosum aus den Tiefen staubiger Archive zu Tage zu fördern: Zeitungsannoncen mit obskuren Geschenkideen und Geschichten von doppelten Weihnachtsmännern und toten Soldaten unterm Tannenbaum; Gedichte für brave Kinder im Matrosenanzug und HJ-Schulungshefte zum Gestalten des weihnachtlichen Heimabends – sie alle fügen sich zu einem unterhaltsamen wie gruseligen Panoptikum deutscher Kitsch- und Heldenseligkeit zwischen Reichsgründung und Stunde Null.
Das alles untermalt mit zeitgenössischen Kitschpostkarten und Weihnachtsliedern direkt vom Grammophon, wie sie nur ein echter „teutscher“ Männerchor schmettern kann!
Seien Sie dabei, wenn Erzengel Gabriel durch den Trichter den Hirten die Geburt Christi verkündet, Sozialisten das Weihnachtsfest abschaffen wollen und französische Korsetts als undeutsche Weihnachtsgabe geächtet werden. Geben Sie sich einem Abend voller Kitsch und Pathos hin, damit auch Sie am Ende von Herzen einstimmen können bei den Versen:
„Oh Herr, mein schwaches Singen,
Nimm es in Gnaden hin,
Einst wird es besser klingen,
Wenn ich im Himmel bin.“
Jo van Nelsen
Bild: Dominik Reichenbach