Verbotene Musik
Verbotene Musik
Streichquartette von Felix Mendelssohn bis Mieczyslaw Weinberg
Seit März 2025 und noch bis Dezember zeigen die Görlitzer Sammlungen im Kaisertrutz Görlitz die Sonderausstellung »Nationalsozialismus in Görlitz – 80 Jahre Kriegsende«. Darauf Bezug nehmend, widmet das Lausitz Festival eines seiner Konzerte in Görlitz jener Musik, die unter den beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts den Machthabern suspekt bis verhasst und deshalb verboten war. Das Quatuor Danel aus Belgien, das bereits im vergangenen Jahr das Lausitzer Festivalpublikum begeisterte, kehrt diesmal mit Streichquartetten von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Dimitri Schostakowitsch und Mieczyslaw Weinberg zurück. Was verbindet diese Komponisten vor dem Hintergrund der sogenannten verfemten Musik, die die Nazis als »entartet« bezeichneten?
Sowohl Mendelssohn als auch Weinberg wurden aufgrund ihrer jüdischen Herkunft Opfer des Nationalsozialismus. Der eine wurde postum diffamiert, seine Denkmäler wurden geschleift. Der andere musste als 19-Jähriger während des deutschen Überfalls auf Polen 1939 aus Warschau vor den Nazis in die Sowjetunion fliehen. Die Rolle Dimitri Schostakowitschs in diesem Kontext lenkt den Blick auf Unterdrückung und Vernichtungsgelüste, die geistiges Leben vielerorts auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterhin geprägt haben. Während der landesweiten antisemitischen Kampagne unter Stalin im Jahr 1952/1953 wurde Weinberg inhaftiert. Er wäre dem Regime wahrscheinlich zum Opfer gefallen, wenn sich sein Mentor und Freund Schostakowitsch nicht für ihn eingesetzt hätte.
Als Schostakowitsch im Jahr 1960 den sächsischen Kurort Gohrisch aufsucht, wo er sein Achtes Streichquartett komponiert, tut er dies im Kontext der Repressionen, denen er selbst sich, im autoritären System der Sowjetunion lebend, ausgesetzt sah. Im Programmheft der Internationalen Schostakowitsch-Tage Gohrisch heißt es dazu: »Das Streichquartett Nr. 8 ist ein äußerst tragisches, persönlich gehaltenes Werk, das er – wie aus einem erst viele Jahre nach seinem Tod veröffentlichten Brief an Isaak Glikman vom 19. Juli 1960 hervorgeht – als ein ›Requiem‹ für sich selbst verstand«. Unter Schostakowitschs 15 Streichquartetten ist das achte dasjenige, das heute am meisten aufgeführt wird. Es legt Zeugnis davon ab, wie der zwischen Anpassung und Opposition changierende Komponist selbst Opfer wurde – stets dem Wohl und Wehe zwischen Duldung und Ächtung der Machthaber ausgesetzt. So gesehen, umkreist das Konzertprogramm des Quatuor Danel das Thema »Verbotene Musik« im doppelten Sinne.
Streichquartett: Quatuor Danel
Felix Mendelssohn-Bartholdy: Streichquartett Nr. 6 in f-Moll, op. 80
Dimitri Schostakowitsch: Streichquartett Nr. 8 in c-Moll, op. 110
Mieczyslaw Weinberg: Streichquartett Nr. 6 in e-Moll, op. 35
In Kooperation mit den Görlitzer Sammlungen