Der „Apfelpfarrer“ Korbinian Aigner
Schwellen des Lebens: Der „Apfelpfarrer“ Korbinian Aigner. Teil 3 der Literaturreihe mit Gerd Holzheimer.
In dieser kleinen Reihe beschäftigt er sich mit Biographien von Menschen, die aus seinen Büchern oder Filmen bekannt sind.
Bei der Familie Haushofer, dem Zeichner Olaf Gulbransson und dem „Apfelpfarrer“ Korbinian Aigner geht es immer wieder um die Frage: Wie verhält man sich in politisch prekären Phasen, die Zivilcourage oder sogar Todesmut verlangen? Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Es geht nicht darum, aus heutiger Sicht bequem zu richten und Urteile von richtig oder falsch zu fällen. es geht darum herauszufinden, weshalb der eine so, der andere so gehandelt hat. Biographien anderer Menschen können immer helfen, die eigene besser verstehen zu lernen und so Handlungsalternativen für sich selbst zu entwickeln.
Jeder Mensch kennt Schwellen im Leben. Man kann furchtsam vor ihnen stehenbleiben, weil man sich den Wechsel nicht zutraut, oder darüber hinwegsetzen, um einen Aufbruch zu wagen. Jede schwelle, jede Tür bedeutet den Übertritt von einer auf die andere Seite, den Beginn von etwas neuem, den Eintritt in einen anderen Lebensraum.
Teil 3: Der „Apfelpfarrer“ Korbinian Aigner.
Kann man in einem KZ neue Apfelsorten züchten? Als Häftling? Ausgeschlossen! Doch, man kann. Pfarrer Aigner konnte es. Katholischer Pfarrer, der Luthers Satz (auch wenn dieser das gar nie so gesagt haben soll) sehr wörtlich nimmt: dass, auch wenn man wüsste, dass morgen die Welt untergehe, man heute noch einen Apfelbaum pflanzt. Korbinian Aigner war Pfarrer in der sehr kleinen Gemeinde Hohenbercha, einem Bauerndorf zwischen Freising und Dachau. Von der Amtskirche bekam er den Eintrag, er sei eher „Pomologe“, also Experte der Apfelpflege, als Theologe. Ins KZ brachte ihn die Denunziation einer Aushilfslehrerin, die mitbekommen hatte, dass Aigner laut darüber nachdachte, ob das Attentat von Georg Elser auf Hitler, wenn es erfolgreich gewesen wäre, nicht vielen Menschen das Leben gerettet hätte.
Es gelang Aigner über den „Laden“, der die einzige Schleuse zwischen der Außenwelt und dem KZ war und in dem Produkte aus der „Plantage“ an die Bevölkerung verkauft wurden, Stecklinge einzuschmuggeln. Neben der Baracke zog er daraus vier neue Apfelsorten, von denen es eine noch heute gibt: den „Korbiniansapfel“.
Der Regisseur Walter Steffen und Gerd Holzheimer versuchen, diese Geschichte und ihr Umfeld in einem Film einzufangen. Schon seit längerem sind die Beiden in ihren Arbeiten zu der Überzeugung gekommen, dass eine „Erinnerungskultur“, die nur an der Vergangenheit orientiert ist, immer weniger bewirken kann, vor allem bei der jüngeren Generation. „Erinnerung“ muss in die Gegenwart hineinwirken und für die Zukunft. So halten wir uns an die Worte von Eli Wiesel: „Erinnerung ist Kultur. Ohne Erinnerung gibt es keine Kultur. Ohne Erinnerung gibt es keine Zukunft.“
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher*in
N.N.
GERD HOLZHEIMER ist Autor, Herausgeber und literarischer Tausendsassa. Seit 2011 pflückt er in seiner Reihe im bosco immer wieder unterschiedlichste Früchte der Literatur von seinem Baum der Erkenntnis. Dieses Mal zum Thema Hoffnung. In dieser dreiteiligen Reihe wird Gerd Holzheimer von jeweils einem/einer Vorleser*in begleitet.
Foto: Werner Gruban
Geöffnet ab 19:00 Uhr