Sonettfabrik (Uraufführung)
Ein musikalisch-poetischer Theaterabend nach Sonetten von William Shakespeare
Shakespeares Sonette gelten als ein Höhepunkt der Renaissance-Dichtung und der europäischen Lyrik überhaupt. Sie stehen künstlerisch im Rang der Dramen des Dichters, die von je her einen Schwerpunkt der Theaterproduktion des Lausitz Festivals ausmachen. Die 154 lyrischen Meisterwerke des Engländers wurden als Zyklus im Jahre 1609 veröffentlicht. In ihnen wendet sich ein Sprecher an einen jungen Mann und eine geheimnisvolle, dunkle Dame. In diesem Dreieck des textuell-sexuellen Begehrens kreisen alle Gedichte um Grundthemen menschlichen Daseins – Liebe, Schönheit, Vergänglichkeit, Tod –, und entfalten im intimen lyrischen Dialog zwischen Ich und Du ein vielstimmiges gemeinsames Wir.
Die Theatralisierung der Shakespeares-Sonette hat Tradition; sie wird bei der Eröffnung des diesjährigen Lausitz Festivals fortgeschrieben. Denn die Gedichte können als dramatische Vignetten aufgefasst und in Szene gesetzt werden, wendet sich doch in ihnen ein Sprecher an eine:n Adressat:in und evoziert damit ein potenziell dramatisches Geschehen. Und auch wenn ein Gegenüber nicht vernehmbar ist, scheint die lyrische Rede doch immer Antwort auf eine unhörbare Äußerung zu sein oder den Anlass für eine darauffolgende Erwiderung zu liefern. In jedem Falle ist der Raum, den Shakespeares Texte eröffnen, ein dialogischer Raum. Dessen Leerstellen erwecken und befeuern unsere bildliche und szenische Fantasie. Insofern liegt die Verwandlung des lyrischen Sprechens in ein dramatisches Sprechen nahe; das Lesen oder Vorlesen eines Gedichts wird in theatralisches Geschehen transformiert.
Der österreichische Theaterkünstler Michael Sturminger, der als Regisseur und Autor in allen Bühnengenres zuhause ist, bringt zur Eröffnung des diesjährigen Lausitz Festivals Shakespeares Poesie mit der Schönheit der stillgelegten Brikettfabrik Louise in einen lebendigen Dialog. Er schickt das Publikum auf einen szenisch-musikalischen Parcours durch Innen- und Außenwelten von Sprach- und Kohlestaubverdichtungen und lässt die Zuschauer:innen in Antlitz und Eingeweide von Vers- und Industriearchitektur blicken.
Fortbestand durch Verwandlung – wenn man so will, finden die alte Brikettfabrik und Shakespeares lyrisch-monodramatischen Miniaturen darin einen gemeinsamen Nenner. Wie die Fabrik ihre aktive Zeit lange hinter sich hat, sind auch die geliebten und begehrten Adressat:innen der Sonette unweigerlich der Vergänglichkeit unterworfen. Und wie die eine kraft ihrer Transformation in ein Industriemuseum und einen Austragungsort kultureller Veranstaltungen neu und anders aufblüht und fortbesteht, erwachen die in den Sonetten angesprochenen Geliebten eben durch Shakespeares Dichtung und deren theatralische Vergegenwärtigung zu neuem, ewigem Leben. So heißt es etwa im 18. Sonett »Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?«:
» […] Doch soll dein ewger Sommer nicht ermatten,
Noch alles Schöne, das du hast, vergehn,
Noch wandern du in Todes dunklem Schatten
Wenn du in ewgem Vers wirst fortbestehn
Solang, wer atmet, Augen hat zu lesen
Solang lebt dies und in ihm lebt dein Wesen.«
In dieser Korrespondenz wird die Brikettfabrik »Louise« zur sinnlich-sinnfälligen Bühne für eine Inszenierung der Shakespeare-Sonette.
Buch und Regie: Michael Sturminger
Eine Koproduktion mit dem Max Reinhardt Seminar Wien und dem Salzburg Global Seminar Schloss Leopoldskron
Ermöglicht durch die Sparkassenstiftung »Zukunft Elbe-Elster-Land«
Uraufführung: 24.8. 19:00
Domsdorf, Brikettfabrik Louise