ELEMENTS
URAUFFÜHRUNGEN VON MAURO BIGONZETTI, SHARON EYAL, ANDONIS FONIADAKIS, LOUISE LECAVALIER
Nichts Geringeres als eine elementare Erfahrung verspricht die neue Produktion von Gauthier Dance – für die Company selbst ebenso wie für das Publikum. Und weil Eric Gauthier schon immer ein Faible für Zahlenspiele hatte, steht auch dieser Konzeptabend im Zeichen einer Zahl, der Vier. Selbst die Premiere fand an einem Tag statt, den es nur alle vier Jahre gibt: dem 29. Februar 2024. Vor allem aber spannt dieses Programm vier Künstler:innen zusammen, die stilistisch so unterschiedlich sind wie die vier Urstoffe aller Dinge:
Mauro Bigonzetti, SPIGHE
Niemand hat so oft mit Gauthier Dance kollaboriert wie der große Tanzästhet aus Italien. Seine Stücke sind seit der ersten Spielzeit fester Bestandteil des Repertoires der Theaterhaus-Company. Wer Bigonzettis Arbeit kennt, wird nicht überrascht sein, welches Element Eric Gauthier für ihn ausgewählt hat: Erde. Schließlich findet der gebürtige Römer die Inspiration dafür gleich bei sich vor der Haustür – in dem Dorf in den Marken, in dem er mittlerweile Wurzeln geschlagen hat. Immer wieder beschäftigt er sich mit der Kraft der Natur. SPIGHE hat Mauro Bigonzetti sein Stück für ELEMENTS genannt – Ähren. Ein passender Titel für eine Choreographie, die die nährende Mutter Erde in Tanz übersetzt.
Sharon Eyal, ALONE
Das erste Stück, das sie speziell für Gauthier Dance kreierte, war ein leiser Paukenschlag – ihr täuschend eleganter und doch so hinterhältiger Pas de trois für The Seven Sins. Was in Point noch unter der Oberfläche schwelte, gerät nun in Brand. Denn welches andere Element wäre der Erfolgschoreographin gemäßer als ... das Feuer? Nach der Todsünde Neid kehrt Sharon Eyal in ELEMENTS zu der großen Besetzung zurück, für die sie berühmt wurde. Eyals ungemein fokussierter, akribischer Arbeitsprozess bringt regelmäßig Gruppenstücke hervor, die geradezu hypnotische Wirkung entfalten und die Tänzer:innen zu einem einzigen, atmenden Organismus formen. So präzise, rhythmisch und unerbittlich wie ein Uhrwerk. So gewaltig und unaufhaltsam vorwärtsdrängend wie ein Flammenmeer.
Andonis Foniadakis, ALMYRA
Ob es daran liegt, dass er auf der Insel Kreta aufwuchs und seit Kindesbeinen an mit dem Wasser vertraut war? Klar ist auf jeden Fall: Dieser Choreograph kann fließend. Keine:r vor ihm hat die Tänzer:innen so weich, so organisch, so biegsam in Szene gesetzt. Wenige vor ihm haben sie gleichzeitig so gefordert. Denn die rasenden Wechsel und komplizierten Figuren machen Foniadakis’ Stücke berüchtigt schwer zu tanzen. ALMYRA hebt die Anforderungen an die Tänzer:innen nun auf ein Staunen machendes nächstes Level. Die Antwort der Company: tänzerische Höchstleistung.
Louise Lecavalier, ETHER
Sie ist die Ikone des zeitgenössischen Tanzes aus Kanada. Eric Gauthier hat die legendäre Frontfrau von Édouard Locks Company La La La Human Steps bewundert, seit er in der Ballettschule in Toronto war. Den Punk, die physische Stärke und unglaubliche Geschwindigkeit, die sie dem Tanz brachte, hatte man damals noch nie gesehen, am wenigsten von einer Frau. Ihre Unangepasstheit und Wildheit hat sie sich bis heute bewahrt. Kein Wunder also, dass sie das Element Luft übernommen hat. Oder sollte man in ihrem Fall besser Sturm sagen? So oder so wirbelt ihr Beitrag für Gauthier Dance einiges durcheinander. Denn Louise Lecavaliers Uraufführung ist eine Premiere in doppelter Hinsicht: Anstatt sich selbst zu choreographieren, hat sie erstmals ein Stück für eine andere Company kreiert. Ihr neues Solo knüpft teilweise an So Blue an – ihr choreographisches Debüt von 2012, das im Titel das Wasser heraufbeschwor. Mit ETHER erweitert sie noch einmal den Horizont. Denn für Louise Lecavalier umfängt der Äther als kosmisches „Element der Elemente“ sie alle – Feuer, Wasser, Luft und Erde.