"KAMISI – Irren ist männlich"
1000 Stimmen im Kopf, doch die Diagnose lautet schlicht: große Kunst. In seinem neuen, rasant- komischen Programm wechselt Parodist, Sprechkünstler, Comedian und Entertainer Thomas Nicolai die Charaktere so flink wie einst Klaus Kinski seine Laune. Die Versammlungsfreiheit gilt auch unter der Schädeldecke und so verstrickt der personifizierte „Kessel Buntes“ wieder allerlei Charaktere in Szenen, die mal unorthodoxe Hilfestellung im Alltag geben, mal Seltsamstes zutage fördern, mal Historisches Revue passieren lassen und am Ende meist reichlich bescheuert eskalieren.
Dabei gibt es Missverständnisse auf allen Ebenen: Schon Wortmeldungen von Herbert Grönemeyer hinterlassen mehr Fragen als Antworten. Oder sendet dieser insgeheim satanische Botschaften? Gibt es am Ende doch eine höhere Macht? Wenn ja, kann man mit ihr per du sein? Rätsel über Rätsel, allein der Titel des Programms: KAMISI – was ist das überhaupt? Ein Künstlername, ein Trick? Ein Akronym? Und was ist überhaupt ein Akronym?
FragenüberFragen.GibteshieretwaKAlauerMItSInn?
Zu Siechtum passt jedenfalls, dass bei der Bahn anstatt der Schienen vermehrt die Nerven blank liegen. Verständlich, wenn Thomas Nicolai vorführt, worunter sie am meisten leidet: ihrer Kundschaft. Von schwerhörigen Omas über Kinder ohne Manieren bis zu angeschickerten Damenclubs. Und apropos. Mit dokumentarischem Eifer spürt der Witze-Selbstversorger (quasi das Balkonkraftwerk der guten Laune) internationalen Klischees nach, findet dabei über Winzer und Weinliebhaber Zugang zu exotischsten Anbaugebieten, verwandelt Weinfässer in Fettnäpfchen und bringt sie mit beschwipster Leichtigkeit zum Überlaufen.
War Fernsehen früher besser? Stimmt es, dass die 80er in unseren Hirnen passenderweise vor allem in den grauen Zellen lagern? Wieso ist ausgerechnet Pullover-Ikone Patrick Schleifer aus Schkeuditz die letzte Hoffnung des Entertainments?
Keine Thomas-Nicolai-Comedy-Show wäre komplett ohne seine im Detail liebevollen, aber ansonsten ziemlich ins und übers Ohr hauenden Musikparodien. Zwischen Coldplay und Country, Max Raabe und Vamos a la Playa, zwischen Modern Talking und moderndem Elektrosound werden Gehörgang und Lachmuskeln gleichermaßen strapaziert. Begleitet wird der „säggsi“ Barde dabei erneut vom kongenial virtuosen Langzeitbühnenpartner und Keyboarder Robert Neumann, der sich mit der ihm eigenen Begeisterung gerne wieder für jeden Klamauk einspannen und zum Horst machen lässt.
Ob als KAuz, MIme, SImulant, der ewige Spitzbube Thomas Nicolai ist dabei gnadenlos, typisches an unseren lieben Zeitgenossen herauszuarbeiten, um sie, prominent oder nicht, am Nasenring durch den Kakao zu ziehen. Am Ende bleiben Lacher über Lacher und die Gewissheit, dass 1000 Stimmen bei ihm besser aufgehoben sind als bei manchem Wahlkandidat.