Wir haben es geschafft. Willkommen im Anthropozän!
Die Erde ist uns untertan, wir haben alles, was der Mensch braucht und was kein Mensch braucht, haben wir doppelt und dreifach. Wir kommen an die entlegensten Winkel der Welt, in die tiefsten Tiefen, auf die höchsten Gipfel, wir kommen auf den Mond, auf den Mars, nur auf eines kommen wir nicht: Auf die Idee mal innezuhalten, uns mal zu fragen: Wo führt das alles hin?
Denn egal, was wir haben, wir brauchen MEHR! Logisch: "Her damit" klingt doch viel dynamischer als: "Bin bisher auch ganz gut ohne klar gekommen"
Das Wachstumsdogma ist unumstößlich, treibt uns schneller, höher, weiter auf der nach oben offenen must-have-Skala. Wer rastet, der kostet, und Kosten sind das Einzige, auf das wir gerne verzichten.
Bankenkrise, LockDown, Börsencrash – nichts kann den Konsumklimaindex dämpfen. Dinge, von denen unsere Eltern noch nicht ahnten, dass es sie jemals geben würde, scheinen uns unentbehrlich: Computer, Smartphone, unbegrenztes Datenvolumen, Laubpuster, musizierende Unterhosen, Raumspray mit Hühnersuppenaroma und Eierschalensollbruchstellenverursacher. Haben Sie noch nicht? Dann aber nix wie ab in den Online - Shop!
Der Wohlstandsbürger besitzt statistisch zwei Autos, vier Mobiltelefone und eineinhalb Aufsitzrasenmäher. Dabei hat nur jeder fünfte einen Garten.
Klar, bei so rasantem Fortschritt muss man Widersprüche in Kauf nehmen: Wer sich alle drei Jahre einen neuen SUV kaufen will, kann nun mal nicht mehr als 1,99 € für ein Kilo Schweinefleisch zahlen. Wir haben Waschmittel für blütenweiße Hemden, aber braune Flecken in der Gesinnung kriegen wir einfach nicht raus. Und: macht es bei technischen Qualitätsprodukten eigentlich einen Unterschied, ob man mit dem Laubpuster die Blätter vor der Haustür oder mit schwerer Artillerie Protestierende vor dem Regierungspalast wegpustet?
Die größten Ängste der Deutschen sind nicht mehr Hunger, Armut, Krieg, sondern Tempolimit, kein Klopapier mehr und dass der Syrer von nebenan den schöneren Gartenzwerg hat.
Bei seltenen Erden denkt inzwischen keiner mehr an die Einzigartigkeit unseres Planeten, sondern an die zunehmende Vormachtstellung der Chinesen. Terra ist in erster Linie ein Synonym für ganz, ganz viel Speicherplatz. "Schöpfung" nur noch ein Suffix von "Wertschöpfung".
Und keiner kann der Maximierungs-Falle entkommen. Daher spielt Axel Pätz in seinem aktuellen Soloprogramm sechshändig Klavier und Akkordeon, bedient simultan mit den Füßen eine lebensgroße Klappmaulpuppe und intoniert dazu ein sechsstimmiges Gregorianisches Obertonmadrigal.
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