Auf dem Jubiläumsprogramm steht mit Beethoven einer der wichtigsten Komponisten für Streichquartett – und für Amaryllis. Sein frühes A-Dur-Quartett ist heiter und happy, zart und burlesk, ein wenig beschwipst zwischendurch oder zirkushaft, neckisch-neckend …
„Es ist so, dass ich ohne Musik überhaupt nicht überleben könnte. Das wäre, wie wenn man mir das Atmen verbieten würde“, bemerkte Heinz Holliger, Komponist, Dirigent, Oboist (BR-Klassik, 16.5.2024). Und er habe „kaum je ein Stück komponiert, ohne dass irgendein Text dahinter steckt“. Musik sei für ihn „sowieso eine Meta-Sprache, die beginnt, wenn die Sprache aufhört“ (BR-Klassik, 9.6.2016). „nicht Ichts – nicht Nichts“ ist ursprünglich ein Gesangsstück nach zehn Epigrammen des Mystikers Angelus Silesius (1624–1677), die nach dem Menschen, der Zeit, nach Gott fragen. Holliger ging es, als er das Werk komponierte, sehr schlecht. Er sagte Amaryllis, dass er damals „jeden Tag ein Epigramm geschrieben (habe) für jeden Tag, den er noch lebt“. Fürs Jubiläum des Amaryllis Quartetts hat er das Stück für Streicher „übersetzt“.
Brahms schrieb sein Quintett mit zwei Bratschen 1890 in der Sommerfrische in Bad Ischl – als sein letztes Werk. War er doch überzeugt, es sei Zeit für ihn, mit dem Komponieren aufzuhören. (1891 erlebte er den Meininger Klarinettisten Richard Mühlfeld – und komponierte wieder, für ihn). Blickt Brahms im Opus 111 auf sein (musikalisches) Leben zurück? Im ersten Satz schwingt das Cello sich emphatisch auf, mit dem zweiten Thema verneigt sich Brahms vor dem Walzerkönig Johann Strauß. Elegische Leidenschaft, ungarisch eingefärbt, im Adagio. Wehmütig sanglich der dritte Satz. Im vierten hört man, dass Brahms die Zigeunerkapellen im Prater liebte. „Ein jubilierendes und überschwängliches Werk,“ so Amaryllis, „wie losgelöst von allen irdischen Beschwerden“.
Programm:
JUBILÄUM
Ludwig van Beethoven (1770–1827): Streichquartett A-Dur, op. 18 Nr. 5
Heinz Holliger (*1939): „nicht Ichts – nicht Nichts“ (Angelus Silesius). Umschrift für Streichquartett, 2024 Uraufführung
Johannes Brahms (1833–1897): Streichquintett G-Dur, op. 111
Künstler:innen:
Amaryllis Quartett & Lena Eckels, Viola
Vielschichtiges, farbig-expressives Musizieren: das Amaryllis Quartett gilt als eines der stärksten Streichquartette seiner Generation. 2024 hat es seinen 20. Geburtstag – und feiert ihn mit der Bratschistin Lena Eckels. Denn die GWK-Preisträgerin (2004) ist Gründungsmitglied des Amaryllis Quartetts, das mit ihr internationale Preise gewann, zehn Jahre auf Konzerttour ging und für CD-Einspielungen ausgezeichnet wurde. Zugunsten ihrer Professur in Lübeck gab Lena Eckels das Quartettspiel auf.
Foto: Rafael Herlich