Dmitrij Kapitelman - "Russische Spezialitäten"
"Wenn wir beide miteinander reden, fühlt es sich manchmal so an, als wäre uns nur noch die gemeinsame russische Sprache geblieben. Dabei waren wir noch nie weiter von einer gemeinsamen russischen Sprache entfernt."
Eine Familie aus Kyjiw verkauft russische Spezialitäten in Leipzig. Wodka, Pelmeni, SIM-Karten, Matrosenshirts – und ein irgendwie osteuropäisches Zusammengehörigkeitsgefühl. Wobei: Letzteres ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr zu haben. Die Mutter steht an der Seite Putins. Und ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, aber auch keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Klug ist es nicht von ihm, mitten im Krieg in die Ukraine zurückzufahren. Aber was soll er tun, wenn es nun einmal keinen anderen Weg gibt, um Mama vom Faschismus und den irren russischen Fernsehlügen zurückzuholen?
In "Russische Spezialitäten" erzählt Dmitrij Kapitelman auf unnachahmliche Weise von Zugehörigkeit und Zerrissenheit in Zeiten des Krieges – zärtlich, traurig und oft auch unglaublich komisch.
Moderation: Christoph Schröder
In Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main.
Dmitrij Kapitelman, 1986 in Kyjiw geboren, kam im Alter von acht Jahren als "Kontingentflüchtling" mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Leipzig und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Heute arbeitet er als freier Journalist. 2016 erschien sein erstes Buch "Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters", für das er den Klaus-Michael Kühne-Preis gewann. 2021 folgte "Eine Formalie in Kiew", für das er mit dem Buchpreis Familienroman der Stiftung Ravensburger Verlag ausgezeichnet wurde.
Christoph Schröder, geboren 1973, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie. Er ist Autor und Kritiker, sowie Dozent für Literaturkritik an den Universitäten Frankfurt am Main und Köln. Schröder lebt in Frankfurt am Main.
Foto (c) Paula Winkler