»Keine Termine« heißt das Solodebüt von Fritzi Ernst. Schnipo Schranke, ihre alte Band, sang »über Pisse und Sperma, doch der eigentliche Star in ihren Liedern [war] nicht der Pipi-Kacka-Humor sondern Versagens-Ängste, Depressionen und Psychosen« (detektor.fm). Sie landete nicht nur wegen der Über-Single »Pisse« in sämtlichen Jahrescharts, auf der Rock am Ring-Bühne, in ausverkauften Hallen, mit einer eigenen Kolumne im Musikexpress und bis heute in den Herzen aller Indie-Pop-Fans. 2019 war Schluss für Schnipo Schranke und die Reise des Duos endete nach sieben Jahren und zwei Alben zum großen Bedauern von Fans und Feuilleton und nicht zuletzt von Fritzi Ernst selbst. Doch wie das nun mal so ist bei Trennungen: Manchmal setzen sie auch Power frei. Zum Beispiel die Art von Power, mit der man dann plötzlich eine Klavierbauausbildung beginnt. Rückblickend war es vielleicht einer dieser berühmten goldenen Umwege: nämlich der, auf dem sich Fritzi Ernst den nötigen Mut erarbeitete, um wieder Musik machen, als Künstlerin aufzutreten und ihr Solodebüt veröffentlichen zu können.
Die Songs auf dem Album sind alle gemeinsam mit Ted Gaier von Die Goldenen Zitronen produziert worden. Sie entstanden in sehr unterschiedlichen Phasen in Fritzi Ernsts Leben und reichen zum Teil noch in die Schnipo Schranke-Zeit zurück: eine extrem verdichtete, oftmals introspektive Sammlung von Songs, die von Erinnerungen und Erlebnissen, Ängsten und Depressionen und, natürlich auch das, vom Anfang und Ende der Liebe erzählen. Irgendwo zwischen Depression-Pop und Pop-Depression. Und zwar auf diese gute Weise, die viele machen wollen, aber nur ganz wenige können: So, wie man’s noch selten gehört hat. Gegen jede Wahrscheinlichkeit hat sie doch noch ein neues Gefühl zwischen Hoffnung und Verzweiflung entdeckt.
Musikalisch bieten die meist minimalistischen Arrangements die exakt richtige Kulisse für Texte, die so unprätentiös wie möglich daherkommen – kein Text über Musik, ohne dass etwas »daherkommt« oder wer »entführt« wird, so will es das Musikgesetz – und dadurch eine enorme, jawohl, lyrische Power entwickeln, in der sich unterschiedlichster anarchischer Spielarten von Stereo Total über K.I.Z bis hin zu Helge Schneider bedient wird. Wobei, das stimmt auch nicht so ganz: Denn Fritzi Ernst entwickelt auf und mit »Keine Termine« eine eigene Stimme und einen eigenen Sound, also eine künstlerische Vision, der man wohl kaum dadurch gerecht werden kann, dass man sie reflexhaft zu anderen extrem kultigen Musikmännern oder ihrer alten Band in Bezug setzt. Vielmehr sollte man sagen: Hört dieses Album und erzählt euren Freund*innen davon. Wenn’s nichts für sie ist: Schade. Wenn sie erkennen, was für ein wahnsinniger Glücksfall »Keine Termine« geworden ist: Beglückwünscht sie! Oder wie Fritzi Ernst sagen würde: »Ich schenk’ dir alles Liebe und auch ganz viel Glück. Und wenn du das nicht haben willst, dann gib’s mir halt zurück.«
Band: Fritzi Ernst (Musik, Text), Danika Arndt (Keyboard, Gesang: | Finn Steinke (Schlagzeug) | Francis Maheux (Kontrabass) | Julia Förster (E-Bass)
Das Konzert ist Teil eines Doppelabends mit der Aufführung WILD WOMAN CIRCUS der Barbaren Barbies. Das Ticket gilt für beide Veranstaltungen.