Freitag, 07.06.2024 um 19:30 Uhr

Schloss Beuggen
Schloss Beuggen
79618 Rheinfelden





Mit drei Aufführungen zentraler Werke von Puccini, Rossini und Lehár knüpfen die Schlossfestspiele Rheinfelden an den grossen Erfolg der letztjährigen Freiluftaufführung von Verdis Oper "Rigoletto" an. Die eindrucksvolle Kulisse von Schloss Beuggen wird erneut eine tragende Rolle bei den Darbietungen der ´Opera Classica Europa´ spielen, deren anerkannt hohes Niveau bleibende Erlebnisse im Schlosshof garantiert.
 
Dass mit der Aufführung von Puccinis "Tosca" auch an den hundertsten Todestag des Komponisten erinnert wird, fügt der ungebrochenen Beliebtheit dieser Oper, aber auch ihrer andauernden Aktualität eine besondere Note hinzu. Bedenkt man zudem, dass Schloss Beuggen im Rahmen der napoleonischen Politik säkularisiert wurde, so werden die historischen Bezüge zwischen Oper und Aufführungsort ebenso offenbar wie die "couleur locale" des Geschehens am Rande der Stadt: die Fassade des Schlosses evoziert Puccinis Bild der Engelsburg in Rom. 
Dabei ist die dramaturgisch stringenteste Oper Puccinis nicht nur die tragische Geschichte der gefeierten Primadonna zwischen dem geliebten Maler Cavaradossi und dem vergewaltigungsbereiten Polizeichef Spoleto, sondern zugleich eine eindrucksvolle Kritik eines politisch motivierten Machismo, der von der restaurativen Kirche wie vom repressiven Staat gleichermassen gebilligt wird. Womöglich liegen in den Bezügen zu der Zeit, in der die Handlung spielt - im Juni 1800 - und zur Entstehungszeit der Oper am Ende des 19. Jahrhunderts - die Uraufführung fand im Januar 1900 in Rom statt - und in der offensichtlichen Distanz des Komponisten zur jungen italienischen Monarchie unter dem Einfluss des Vatikans die eigentlichen Gründe für die Aktualität des Werkes: auch wenn die Rolle der Kirche - eindrucksvoll der Schluss des 1. Aktes - heute zunehmend marginalisiert ist, feiert der politische Machismo in Ost und leider auch im Westen fröhliche "Urständ", und die seinerzeit vielgescholtene "Folterkammermusik"(J. Korngold) Puccinis hören wir heute erneut als durative Warnung vor den tödlichen Konsequenzen des politischen Absolutheitsanspruchs.
 
Sind die tragischen Bezüge der "Tosca" Puccinis bereits in den Eifersuchtspassagen des 1. Aktes offensichtlich, so wartet Rossinis "Barbier von Sevilla" ein knappes Jahrhundert früher - die Uraufführung fand 1816 ebenfalls in Rom statt - mit den bekannten Figuren der Comedia dell´arte in der ungetrübten Spielfreude der itelienischen Buffo-Tradition auf. Die mannigfachen Schwierigkeiten, die der Heirat des Grafen Almaviva mit dem Mündel Rosina des Doktors Bartolo, der sie, genauer: ihr Vermögen, selbst gern heiraten möchte, entgegenstehen, werden durch den Barbier Figaro - sicherlich eine der eindrucksvollsten Gestalten der Operngeschichte - überwunden. Bereits die literarische Vorlage des Librettos, eine 1775 entstandene Komödie von Beaumarchais, behandelte Figaro und den Grafen beinahe schon als Gleichgestellte: ein ungeheuer mutiger Vorgriff auf die noch lange ausstehende Demokratisierung der Gesellschaft.
Die federleicht daherkommende Musik, Grundlage des eigentlichen "Rossini-Fiebers" damals wie heute, dient dabei ausser der durchwegs ironisch gezeichneten Figurencharakteristik vor allem auch der Erinnerung an die historische Situation des Jahres 1816, wie sie der begeisterte Dichterkollege Heine wahrnahm: "Dem armen geknechteten Italien ist ja das Sprechen vervboten, und es darf nur durch Musik die Gefühle seines Herzens kundgeben (...), seinen Groll gegen fremde Herrschaft, seine Begeisterung für die Freiheit, seinen Wahnsinn über das Gefühl der Ohnmacht (...)."(Resiebilder III)
Aber können wir neben den "revolutionsnärrischen Koloraturen", die der deutsche Dichter der Musik Rossinis zuschrieb, nicht auch schon die gesellschaftlichen Auswirkungen der sich ankündigenden industriellen Revolution erkennen, die mechanische Reihung im rhythmischen Elan der immer schneller werdenden, motorisch voraneilenden Passagen? Hört man in ihnen nicht auch schon die Fliessbandbewegungen der Moderne, wie wie sie ein Jahrhundert später ein Chaplin im Film umsetzte? So zeitgemäss uns auf der Folie von Zwangsheiraten der gezeigte Kampf um die Liebe noch immer erscheinen muss. so modern mutet das Menschenbild an, das Rossini seiner rasanten Buffooper zugrundelegt.
 
Franz Lehárs berühmteste Operette "Die lustige Witwe", uraufgeführt 1905 im Theater an der Wien, stellt auf dem Hintergrund des ausklingenden Fin de Siècle den beschwingten Gegenpol zu Puccinis "Tosca" dar, gleichsam den Tanz auf dem Vulkan, neun Jahre vor dem Asubruch des Weltkriegs. Nichts davon ist hier zu spüren, auch wenn ein kleiner, bankrotter Balkanstaat Dreh- und Angelpunkt der vielfältig verschlungenen Liebes- und Geldhändel um die schöne und steinreiche Hanna Glawari ist. Im nicht endenwollenden Tanzrausch auf dem diplomatischen Parkett einer Schein- und Spiegelwelt wirbeln Tanzformen jeder Art von der Mazurka und der Polonaise bis zum langsamen und zum Wiener Walzer, zum Galopp und zum Cancan munter durcheinander. Die gesellschaftlichen Gruppen des Völkerverschnitts zwischen Paris und dem Balkan prägen den einzigartigen Charakter dieser Tanzoperette und bestimmen im Kulissenblendwerk den permanenten Spannungsbogen zwischen Liebe und Geld vor allem in den Ballfesten der einzelnen
Akte, zunächst im mondänen Pariser Ambiente, dann in der folkloristisch aufgeladenen Balkanszenerie des zweiten Aktes und schliesslich auch in der lebenslustigen Nachtkulisse des dritten.
Die nichtabbrechende Vitalität, pulsierend bis zum glücklichen Ende, charakterisiert "Die lustige Witwe"als unbefangen heiteren Abgesang auf eine Epoche, die die gesellschaftlichen Probleme und Widersprüche hinter Kulisse und Kolorit, unter Tanz und Traum verbarg. Man darf gespannt sein, wie die ´Opera Classica Europa´ den vielfältigen Ansprüchen des schnellfüssigen Werks gerecht werden wird, vor allem auch dem Augenblick des stillgestellten Glücks, wenn die "Lippen schweigen / ´s flüstern Geigen" und Musik an die Stelle der Worte tritt und deutlich macht, womit und worin sonst noch Liebe sich zeigt, eben im Tanz, aber auch im "Druck der Hände" oder im Zittern des Herzens - wohl das einzig Wahre in diesem Kulissentraum der vorletzten Jahrhundertwende.   

Einlass: 17:30 Uhr

Eventdaten bereitgestellt von: Reservix